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„Eines der schönsten Feste in Wiesbaden“
Menschen mit und ohne Behinderung feierten gemeinsam in der hessischen
Landeshauptstadt
Wenn „Unser Leben sei ein Fest“ so begeistert und lautstark
intoniert wird wie an diesem Samstag, 9. September, in der Bonifatiuskirche, dann ist
wieder Zeit für das „Fest für Körper und Sinne“. Wie bereits vor zwei Jahren wird die
Veranstaltung für Menschen mit und ohne Handicap mit einem fröhlichen,
ökumenischen Gottesdienst in Wiesbadens Stadtkirche eröffnet. Eingeladen haben
das Bistum Limburg gemeinsam mit der Stadt Wiesbaden und dem Arbeitskreis der
Wiesbadener Behindertenorganisationen (AKB) .
„Bei Jesus sind alle willkommen“ ist das Leitwort der Feier in der Bonifatiuskirche, zu
der als Hausherr Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz die Anwesenden herzlich begrüßt
Im Geist Jesu und in gegenseitiger Achtung voreinander solle dieses Fest gefeiert
werden, sagt in seiner Ansprache Domkapitular Will Hübinger. Getreu dem Motto des
Festes, „Mit uns“, kommen auch im Gottesdienst vor allem Menschen mit
unterschiedlichen Behinderungen selbst zu Wort. Mit Musik und szenischem Spiel
stellen sie dar, was ihnen wichtig ist. Wenn der reiche Mann im prächtigem Gewand
herzlich willkommen geheißen und der Bettler in Lumpen zum Außenseiter gemacht
wird, spricht Jakobus als „Freund von Jesus“ ein paar deutliche Worte: „Das macht
ihr falsch!“, sagt er, und alle in der Kirche verstehen, was er meint. Auch die
„Übersetzung“ in Gebärdensprache durch Gehörlosenseelsorger Christian Enke ist in
ihrer Eindringlichkeit sogar für Hörende verständlich.
Und dann gibt Conny P., die Band des Konrad-von-Preysing-Hauses Frankfurt, beim
Schlusslied noch einmal ihr Bestes und es wundert wirklich keinen, dass draußen
nach all den Regentagen ein strahlend blauer Himmel über den Festteilnehmern
aufgegangen ist. Unüberhörbar – dafür sorgen "Die lustiche Schotte Wiesbaden" –
zieht der Festzug mit Rollstuhlfahrern und Menschen, die sich an der Hand fassen,
um nicht verloren zu gehen, vorbei an staunenden Passanten, gehetzten Einkäufern
und neugierigen Touristen zum Schlossplatz, wo die Besucher ein farbenfrohes Bild
erwartet. Über 50 Informations- und Verkaufsstände sind über den Platz verteilt,
bunte Luftballons flattern im Wind, ein kleines Kinderkarussell dreht sich, aus der
Hüpfburg kommen die ersten Freudenschreie. Am Brunnen vor dem Landtag sind
Kinder bereits eifrig dabei, kleine Entchen aus dem Wasser zu fischen.
Währenddessen sorgt auf der Hauptbühne vor dem Rathaus die Schulband des
Gymnasiums am Mosbacher Berg für gute Stimmung. „Machen Sie eine Pause,
trinken Sie ein Glas Sekt bei uns“, lädt Caritasdezernet Hanno Heil ein, der das
aufwändige Programm moderiert. Akrobatik, Judo, Rollstuhltanz und immer wieder
Musik ziehen bis zum Abend einige tausend Besucher an. Schnell füllen sich die
aufgestellten Bänke und vor der Bühne stauen sich die Schaulustigen. Beatrix Brühl
(71) hat alle Hände voll zu tun, ihrem Schützling im Rollstuhl dabei die Sicht frei zu
halten. Die Wiesbadener Rentnerin aus der katholischen Herz Jesu-Gemeinde, ist
als ehrenamtliche Betreuerin aktiv. Heute ist sie mit Cornelia Seibert (53) unterwegs.
Die kleinwüchsige und geistig behinderte Frau freut sich sichtlich über die Musik.
Rhythmisch bewegt sie die Hände im Takt. „Gleich singt sie selbst auf der Bühne“,
kündigt Beatrix Brühl an. Ihr eigenes Engagement begründet sie kurz und knapp:
„Besser als nach Mallorca zu reisen, dazu habe ich keine Lust.“
„Wir wollen gesehen werden“, heißt es schlicht am Stand des Blindenbundes
Hessen. Wer einmal am eigenen Leibe spüren will, was Nichtsehen heißt, kann hier
sein Glas Wasser im Dunkelzelt trinken. Auch die Gehörlosengemeinschaft St. Georg
aus Limburg lädt zur Exkursion in andere Erfahrungswelten ein und bietet einen
„Schnupperkurs“ in Gebärdensprache an. Auf der Bühne vor der Marktkirche wird
später am Nachmittag eine Tanzgruppe vom Gehörlosenverein Wiesbaden auftreten
und ihr Publikum ebenso mitreißen wie die Band der Lindenschule Strinz, einer
Schule für praktisch Bildbare, die jetzt zur Mittagszeit ganz professionell mit
„Amadeus“ losrockt.
„Dass das ganze Programm von Betroffenen gestaltet wird“, darüber freut sich Eva
Brass (45) ganz besonders. Die Rollstuhlfahrerin, die seit 18 Jahren im Wiesbadener
Rathaus arbeitet, war selbst an der Vorbereitung des Festes mitbeteiligt. „Wir haben
das Motto gut umsetzen können“, sagt sie und fügt hinzu: „Das macht richtig Spaß
hier.“ Da ist sie übrigens einer Meinung mit ihrem Chef, Oberbürgermeister
Hildebrand Diehl. Für ihn ist das „Fest für Körper und Sinne“ eines der „schönsten
Feste in Wiesbaden.“