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Gelungenes Fest für Körper und Sinne
Fröhlicher Gottesdienst zum Auftakt – Fröhliches Fest von Behinderten und Nichtbehinderten gegen alle Ausgrenzungen in der Wiesbadener Innenstadt. Reportage von Barbara Reichwein
WIESBADEN. – Nach dem ökumenischen Gottesdienst zeigt sich Oberbürgermeister Hildebrand Diehl begeistert. So eine fröhliche Feier habe er in der Kirche noch nicht erlebt, meint Wiesbadens Stadtoberhaupt. In der Bonifatiuskirche hat in diesem Jahr das „Fest für Körper und Sinne“ begonnen, zum dritten Mal vom Bistum Limburg veranstaltet. Die Idee, Menschen mit und ohne Handicap beim Feiern zueinander zu bringen, zündet bereits im Gottesdienst. Lachende Gesichter, mitreißende Lieder und immer wieder viel Applaus prägen den gemeinsamen Start in den Tag.
Weihbischof Gerhard Pieschl der mit Propst Sigurd Rink und Stadtdekan Ernst Ewald Roth die Festteilnehmer begrüßt, lässt eine große Sonnenblume sprechen. „Es ist gut, dass ich nicht allein bin“ ist ihre Botschaft, die in der voll besetzten Kirche gut ankommt. Und als dann die Band vom Konrad-von-Preysing-Haus schwungvoll „Der Himmel geht über allen auf“ intoniert, erscheint es fast selbstverständlich, dass sich draußen die grauen Wolken verzogen haben. Freundlich bescheint die Sonne den Festzug auf das Dernsche Gelände, der von einer Musikgruppe mit schottischen Klängen begleitet wird.
„Mitten im Leben“ muss dieses Fest stattfinden, das ist für Jochen Straub vom veranstaltenden Referat Seelsorge für Menschen mit Behinderung, ebenso Teil der Konzeption wie die Gestaltung des Programms durch Betroffene. „Nach innen Abgrenzungen zwischen verschiedenen Behinderungen überwinden und nach außen zeigen, dass wir dazu gehören“ nennt Joachim Mast die zwei Ziele des Festes. Mast spricht für den Arbeitskreis der Wiesbadener Behinderten-Organisationen (AK), der diesmal bei der Organisation mit dabei ist. Ihm liegt das Motto des Festes „Mit uns“ besonders am Herzen: „Zeigen, dass wir etwas auf die Beine stellen können“, das ist ihm wichtig.
In Wiesbadens „guter Stube“, auf dem Rathausplatz, gelingt das an diesem Samstag überzeugend. „Körper und Sinne“ steht über der großen Bühne und das wird umgesetzt! Ob Tanzgruppe und Chor aus den Behindertenheimen Scheuern, ob Gehörlosenbands oder Jonglage-Artisten – immer springt der Funke über, wird gute Laune verbreitet. Patrick (12) hat es das Polizeiorchester Hessen angetan, das zu Beginn die Stimmung anheizt. Mit dem Oberkörper swingt der kleine Rollstuhlfahrer zu den rhythmischen Klängen. Er schwingt die Arme, klatscht in die Hände, strahlt über das ganze Gesicht. Seine erwachsene Begleiterin, Annika Tuth, freut sich über seine Freude. Beide kommen aus Wiesbaden. Patrick geht in die Friedrich von Bodelschwingh-Schule für Körperbehinderte, die auf dem Fest mit einem eigenen Stand vertreten ist. Dort werden unter dem Titel „Montagsmaler“ ausdrucksstarke und wunderschön farbige Bilder der Schüler präsentiert.
Kreativ sein können die Besucher hier auch selbst. Da wird gemalt und gebastelt und am Stand des Alfred-Delp-Hauses aus Oberursel, Wohnheim und Tagesstätte für behinderte Erwachsene, sitzen in freundlicher Nachbarschaft Kinder und Erwachsene mit und ohne Handicap und bearbeiten Speckstein. Mit erstaunlichen Resultaten! Mechthild Herr, die die Besucher liebevoll betreut, wundert das natürlich nicht. Sie leitet als Erzieherin die Kreativ-Gruppe im Delp-Haus und kennt ihre geschickten Handwerker.
Die Hände spielen an einem anderen Stand eine besondere Rolle. Hier ist die Gehörlosengemeinschaft St. Georg aus Limburg vertreten durch Monika Mons, Can Biryol und Elke Helgert. Sie informieren gerne über die Tätigkeiten der Gehörlosengemeinde, deren Mitglieder sich einmal im Monat treffen, Ausflüge unternehmen, Gemeinschaft erleben. Ob sie Hemmungen haben, auf die Leute zuzugehen? „Aber nein! Alle, die hier sind, haben Mut“, übersetzt Pfarrer Christian Enke die Gebärdensprache. Der Gehörlosenseelsorger für den Norden des Bistums hat schon im Gottesdienst gedolmetscht. Jetzt bittet er zusammen mit Can Biryol eine Gruppe junger Leute zur Schulstunde. „Gebärdensprache“ steht auf dem Stundenplan. Nach ersten Buchstabenübungen geht es zu ganzen Sätzen über. Garnicht so einfach, ein „ich liebe dich“ zu gebärden.
Die Schüler sind Firmlinge, die mit den beiden Katechetinnen Hildegard Gengel und Verena Graser aus St. Marien in Runkel angereist sind. „Wir hatten Behinderung als Thema“, erzählen die beiden, die ihren Schützlingen zufrieden beim eifrigen Lernen zusehen.
An rund 30 Ständen wird informiert, Material überreicht, erzählt und gebärdet. Selbstgemachte Grußkarten werden verkauft, aus Holz gefertigtes Spielzeug und frisch gebackene Waffeln. Vom Caritasverband über die Lebenshilfe bis zu Tagesförderstätten sind viele Einrichtungen und Interessengemeinschaften Behinderter mit dabei. Und überall gibt es etwas zu lachen. „Hier kommen nur Sehende her, die Blinden wissen eh schon alles“, schmunzelt Erika Fleuren am Stand der Blinden- und Sehbehinderten in Hessen e.V.
Wer ganz unmittelbar etwas übers Blindsein erfahren möchte, ist eingeladen in die Dunkelbar. Das dunkle Zelt im Zelt wurde aufgebaut vom Pfadfinderstamm Bruder Florian aus Mainz-Finthen. Peter Roth (25) hat es natürlich selbst ausprobiert: „Ich habe mir fast den Strohhalm ins Auge gestochen“, berichtet der Pfadfinder. Im Zelt empfängt den Besucher nachtschwarze, undurchdringliche Dunkelheit. Orientierungslos, hilflos steht der Gast, bis ihn der blinde Barkeeper behutsam am Arm fasst und zu einem Stehtisch führt. „Ich bin Hermann“ stellt sich beruhigend der Herrscher der Dunkelbar vor. Hände tasten zueinander, es wird bezahlt, Geld herausgegeben, das Glas Wasser wird fest umfasst.
Später, draußen vor dem Zelt, blendet die plötzliche Helligkeit, der Anblick der vielen Besucher, der bunten Stände mit ihren Luftballons, der fröhlichen Kinder auf der Bühne überwältigt. Ein Fest für „Körper und Sinne“! (ID04288)
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